Vorlage - SGM/2017/079  

Betreff: Vortrag "Auf dem Weg zu demenzsensiblen Kommunen im Landkreis Gifhorn";
Präsentation durch Herrn Torsten Haf
Status:öffentlich  
Beratungsfolge:
Ausschuss für Familie, Senioren, Soziales und Integration Anhörung
29.05.2017 
2. Sitzung des Ausschusses für Familie, Senioren, Soziales und Integration zur Kenntnis genommen     
Anlagen:
Konzept DSK_SG Meinersen  

Sachverhalt:

 

Ausgangslage

 

Nach Schätzungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft sind derzeit rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland an einer Form der Demenz erkrankt. Sollten zukünftig keine Durchbrüche in Prävention und medizinischer Therapie gelingen, wird sich die Zahl bis zum Jahr 2050 nahezu verdoppeln. Schon jetzt kommen jährlich etwa 300.000 Neuerkrankungen hinzu, also mehr als 800 täglich. Da die Zahl der Neuerkrankten diejenige der versterbenden Betroffenen übersteigt, liegt der jährliche Saldo der Demenzerkrankten bei 40.000 Personen (ca. 100 Personen täglich).

 

Der größte individuelle Risikofaktor für eine Demenzerkrankung ist ein hohes Lebensalter. Das bedeutet, das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, nimmt mit zunehmendem Alter exponentiell zu. So sind aktuell etwa 9 % aller ab 65-Jährigen betroffen, während unter den ab 90-Jährigen die Prävalenzrate bereits bei 41 % liegt. Je älter demnach die Altersstruktur eines Gebietes ist, desto größer wird der Anteil der Menschen mit einer demenziellen Erkrankung sein.

 

Die Bevölkerungsprognosen des Statistischen Landesamtes Niedersachsen bescheinigen dem Landkreis Gifhorn in den nächsten Jahren einen starken Anstieg der Anzahl älterer und insbesondere hochbetagter Menschen. Demnach wird sich bis zum Jahr 2030 die Zahl der Menschen, die das 65. Lebensjahr erreicht und überschritten haben, im Vergleich zu 2015 um 42 % erhöhen (Niedersachsen +26 %), bei den ab 85-Jährigen beträgt der Zuwachs in diesem Zeitraum 56 % (Niedersachsen +47 %). Damit nimmt der Landkreis Gifhorn einen Spitzenplatz bei der Dynamisierung der Alterung unter den niedersächsischen Landkreisen und Städten ein.

 

Vor allem aufgrund der Alterung der Bevölkerung werden die Anzahl und der Anteil demenzerkrankter Menschen weiter zunehmen. Analog zu den Bevölkerungsprognosen stehen dem Landkreis Gifhorn hier weit überdurchschnittliche Steigerungsraten bevor. So ergab der Demenzreport des Berlin Instituts für Bevölkerung und Entwicklung eine hiesige Zunahme der Demenzerkrankten um 51 % im Zeitraum von 2013 bis 2030. Die absolute Anzahl demenzerkrankter Personen im Landkreis Gifhorn wird auf derzeit gut 3.000 geschätzt.

 

Obwohl Demenzerkrankungen inzwischen weit verbreitet sind und in den letzten Jahren eine zunehmende mediale Berichterstattung dazu zu beobachten ist, werden diese Erkrankungen häufig noch tabuisiert – sowohl in den Familien, als auch in der Öffentlichkeit. Dass Menschen mit Demenz mittlerweile jedoch eine relevante gesellschaftliche und sozialpolitische Rolle spielen, zeigt sich nicht zuletzt in der Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und der damit verbundenen Leistungsausweitung für diese Personengruppe in der sozialen Pflegeversicherung.

 

Aufgrund des seit längerer Zeit zu beobachtenden Strukturwandels der Lebensphase Alter, der sich u.a. in einer zunehmenden Singularisierung älterer Menschen zeigt, welche wiederum stark mit der Erosion traditioneller Familienstrukturen zusammenhängt und insbesondere im hohen Alter häufig zur sozialen Isolation führt, bewegen sich immer mehr ältere, kognitiv eingeschränkte Personen selbstständig im öffentlichen Raum. Gerade in der ersten Phase einer demenziellen Erkrankung, in der die Einschränkungen noch nicht so umfassend sind, nehmen Demenzerkrankte ihr Recht auf eine selbstbestimmte Lebensführung wahr und fallen in den meisten Alltagssituationen nicht auf, zumal es keine äußerlichen Anzeichen für eine Demenzerkrankung gibt.  

 

Dennoch kann es dazu kommen, dass unvorhergesehene Verhaltensmuster zutage treten, die beim Kontakt mit Außenstehenden zu einer Überforderung dieser im Umgang mit den betroffenen Menschen führen. Solche Situationen können nicht nur zuhause, sondern z.B. auch beim Einkaufen, im Bus oder im Restaurant auftreten.

 

Projektziele

 

Grundsätzliches Ziel des Projektes ist es, der zunehmenden Relevanz des Themas Demenz noch mehr Rechnung zu tragen und den Fokus der Öffentlichkeit stärker auf die von einer Demenz betroffenen Personen und ihr näheres soziales Umfeld zu richten. Neben den persönlich und beruflich direkt Betroffenen müssen daher auch staatliche, zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure sowie potenzielle Multiplikatoren eingebunden werden, um eine möglichst weitverbreitete Sensibilisierung für das Thema zu gewährleisten.

 

Ein weiteres Ziel ist es, eventuell bestehende Vorurteile oder gar Ängste gegenüber Menschen mit Demenz abzubauen und somit zu einem aufgeklärten Miteinander zu kommen, von dem alle Beteiligten profitieren. Um Personen des Alltagslebens, die Demenzerkrankten begegnen können, auf mögliche atypische Verhaltensweisen der Betroffenen vorzubereiten und ihnen Lösungsansätze aufzuzeigen, soll anhand von Informationen und Beispielen verdeutlicht werden, wie in bestimmten Situationen ein angemessener und respektvoller Umgang mit den Erkrankten möglich ist. Damit sollen auf beiden Seiten konfliktfreie Begegnungen erleichtert werden.

 

Über die Sensibilisierung bestimmter Personengruppen im öffentlichen Raum soll dem Ziel einer größeren Unterstützung der demenziell erkrankten Menschen und ihrer Angehörigen nähergekommen werden. Damit einher geht die Absicht, die Teilhabe der betroffenen Familien am gesellschaftlichen Leben zu fördern sowie die Möglichkeiten für ein weitgehend selbstständiges Leben in der gewohnten Umgebung zu verbessern.

 

Ferner sollen durch das Projekt frühzeitige Zugänge in bereits bestehende Hilfs- und Unterstützungssysteme erleichtert und somit die Versorgung der Demenzerkrankten sowie die Entlastung der pflegenden Angehörigen optimiert werden.

 

Vorgehensweise

 

Von März 2015 bis Februar 2016 fanden in allen kreisangehörigen Städten und Samtgemeinden sowie der Einheitsgemeinde des Landkreises Gifhorn sogenannte Lokale Netzwerktreffen Altenhilfe statt. Ziel der Veranstaltungen war neben der Sensibilisierung von lokalen Akteuren und Entscheidungsträgern für die Auswirkungen der sich zusehends dynamisierenden Alterung der Bevölkerung, einen Impuls zum Auf- bzw. Ausbau informeller Hilfs- und Unterstützungsnetzwerke zu geben, um somit den Verbleib im gewohnten Wohnumfeld auch bei eintretender Hilfs- oder Pflegebedürftigkeit zu gewährleisten.

 

Inhalte der Netzwerktreffen waren u.a. Informationsangebote für Ältere, offene Möglichkeiten der Begegnung (auch mit anderen Generationen), Mobilitätskonzepte, seniorengerechte Wohnformen, Erhalt bzw. Ausbau von Infrastrukturen, informelle Nachbarschaftshilfen oder Angebote aus den Bereichen Bildung und Kultur.

 

Im Ergebnis sind in fünf kreisangehörigen Gebietseinheiten entsprechende Arbeitsgruppen entstanden, die sich fortlaufend mit den jeweils priorisierten Themen auseinandersetzen. So wurden bereits verschiedene Seniorenbefragungen durchgeführt, die Erstellung von Informationsunterlagen für ältere Menschen eingeleitet, die Gründung von Seniorenbeiräten vorbereitet bzw. initiiert, Diskussionen zur Unterstützung alternativer Wohnmodelle geführt oder ein System zur frühzeitigen Auseinandersetzung mit der individuellen Lebensgestaltung beim Übergang in den Ruhestand mittels selbstbestimmter Teilnahme an verschiedenen Interessengruppen implementiert. 

 

Die entstandenen Arbeitsgruppen dienen in Bezug auf das Projekt Demenzsensible Kommunen als Ausgangspunkt für die Sensibilisierung zum Thema Demenz. Hier sollen in einem ersten Schritt Personen, die sich mit der Alterung der Bevölkerung befassen sowie häufig auch Entscheidungsträger in der Lokalpolitik sind, über die Krankheit Demenz aufgeklärt werden.

 

Gebietseinheiten, in denen im Anschluss an die Lokalen Netzwerktreffen Altenhilfe keine Arbeitsgruppen entstanden sind, werden über die Stadt bzw. Samtgemeinde bzgl. der Projektidee angefragt, mit der Bitte, potentielle Multiplikatoren für eine Schulung zu gewinnen.

 

Die Schulungen werden von der hauptamtlichen Koordinatorin der Alzheimer Gesellschaft im Landkreis Gifhorn bzw. einer externen Dozentin durchgeführt und dauern jeweils 90 Minuten.

 

Zum Inhalt der Schulungen gehören:

 

  • Informationen zum Krankheitsbild Demenz – Ursachen, Formen, Verlauf, Symptome
  • Strategien und Handlungsansätze für einen konfliktfreien Umgang mit Betroffenen
  • Möglichkeiten zur Vermittlung in bestehende Hilfs- und Unterstützungssysteme

 

Nachdem die Mitglieder der Arbeits- bzw. Entscheidungsträgergruppen in den Gebietseinheiten sensibilisiert worden sind, sollen sie in einem zweiten Schritt eine Multiplikatorenfunktion einnehmen und in ihren jeweiligen örtlichen Zusammenhängen auf ortsansässige Einrichtungen zugehen, um dort das Interesse für hausinterne Schulungen zu eruieren. Im dritten Schritt werden dann Schulungen für Mitarbeitende der teilnehmenden Institutionen als eigentliche Zielgruppe durchgeführt.

 

Alternativ bzw. ergänzend zur Ansprache der anvisierten Institutionen durch die Multiplikatoren kann auch direkt an entsprechende Unternehmen, öffentliche Einrichtungen oder Vereine und Verbände herangetreten werden – insbesondere wenn übergeordnete Organisationsstrukturen vorhanden sind (z.B. Einzelhandelsketten, Geldinstitute, Handwerkskammer, Polizei, Kreissportbund etc.).

 

Seit dem Jahr 2016 ist der Verein Wir in der Nachbarschaft (WIN e.V.) im Landkreis Gifhorn aktiv. Hier hat man sich u.a. zum Ziel gesetzt, im Rahmen des von der Deutschen Alzheimergesellschaft initiierten Programms Demenz-Partner Mitarbeitende von Firmen, Behörden und Vereinen zum Thema Demenz zu schulen. Da dieses Konzept ähnliche Inhalte aufweist, sollte eine enge Abstimmung mit dem WIN e.V. bei der Umsetzung des Projektes Demenzsensible Kommunen erfolgen.

 

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen:

NEIN

Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten:

NEIN

Beteiligung des Seniorenbeirates:

JA

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

Keine


Anlage/n:

 

Konzept „Auf dem Weg zu demenzsensiblen Kommunen im Landkreis Gifhorn

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Konzept DSK_SG Meinersen (1183 KB)      
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